RZ Artikel 800
 
Vestia Disteln spielt auch gegen Profis wie Vestia Disteln – und unterliegt im Westfalenpokal bei Drittligist Preußen Münster mit 1:7. Die Hertener Fans machen im Preußenstadion mächtig Stimmung.

Die Frage des Abends lautete: Wo kamen bloß all die Fans des SV Vestia Disteln her? „Weiß ich auch nicht genau“, sagte Co-Trainer Martin Schmidt beim Blick auf den Hertener Block in Münster und strahlte. „Aber das ist phänomenal.“

Für gewöhnlich spielt der Landesliga-Aufsteiger vor 100 bis 150 Fußballfreunden. In Münster waren rund 400 Distelner Fans unter den 1600 Zuschauern – und machten Lärm. Und das schon vor Anpfiff.

Als die Distelner Kicker zum Aufwärmen aus dem Spielertunnel joggten, hatte man kurz den Eindruck, dass nicht Philipp Müller, Felix Altehage und Co. kommen, sondern Harry Styles leibhaftig zur Autogrammstunde erscheint.

Wie seinen Kollegen war auch Luis Barlage hinterher warm ums Herz. „Ob ich so etwas wie heute in meiner Laufbahn noch mal erleben werde? Eher nicht“, bekannte der 22-jährige Recklinghäuser hinterher. Barlage war es auch, der Distelns Anhänger schon in der 9. Minute komplett aus den Sitzschalen riss.

Nach einer hübschen Ballpassage und einem starken Pass von Niklas Trakowski hatte er freie Bahn zum Tor. Barlage zog ab – und jagte den Ball knapp am Torpfosten vorbei. „Der Ball sollte ins lange Eck. Tut mir leid fürs Team und die Fans, dass er nicht reinging“, kommentierte er die Szene. Um augenzwinkernd nachzuschieben: „Wenn’s daran lag, dass wir verloren haben, dann nehme ich die Schuld gern auf mich.“

Braucht er nicht. Dass der Landesligist so deutlich verlor, hatte eher damit zu tun, dass Vestia auch bei den Drittliga-Profis von Preußen Münster auftrat wie Vestia. Die Zahl langer Bälle ließ sich an einer Hand abzählen. Stattdessen versuchten die Gäste, unter Druck spielerisch Lösungen zu finden.

Das ging ein paar Mal schief. „Das eine oder andere Mal hätten wir den Ball vielleicht weghauen sollen“, räumte Kapitän Sven Hahnenkamp ein, der 90 Minuten um einen konstruktiven Aufbau bemüht war. „Aber das ist nun mal nicht unser Ding.“

Vor allem einer nutzte die Freiheiten in der Distelner Hälfte: Münsters Angreifer Joel Grodowski. Nachdem Darius Ghindovean die Preußen mit dem ersten Torschuss in Führung gebracht hatte (10.), legte der Selmer, der unter anderem in der U19 des VfB Waltrop ausgebildet wurde, das 2:0 (21.) und 3:0 (33.) nach.

Danach verlor Vestia für einige Minuten völlig die Linie – Benjamins (36.) und Deters (44.) machten zur Pause alles klar. Vestias Torhüter Jonas Weeke, der eine starke Leistung zeigte, hatte nicht viel zu bestellen.

In der Pause fingen sich die Gäste – und spielten nach dem Seitenwechsel wieder mit, auch wenn der Drittligist zunächst weitere Großchancen erwirtschaftete. In der 53. Minute langte erneut Grodowski nach einem mächtigen Antritt hin. Danach brachte endlich auch Vestia den einen oder anderen Angriff durch.

In der 72. Minute sorgte Yannick Goecke für Jubel im Vestia-Block. Nach einem Ballgewinn leitete Hahnenkamp den Ball weiter zu Spielertrainer Daniel Koseler, der umgehend seinen Angreifer bediente – Goecke bezwang Torhüter Schenk mit einem lässigen Chip.

Wenig später lag sogar ein zweites Tor in der Luft: Johannes Engel war so frei, aber der Neuzugang vom DSC Wanne-Eickel scheiterte an Schenk und verpasste so einen Teilerfolg. „Schade, dass Johnny nicht getroffen hat“, meinte Martin Schmidt. „Dann hätten wir in der zweiten Halbzeit 2:2 gespielt.“ Kevin Schacht erzielte elf Minuten vor Ende noch das 7:1 für Münster.

Daniel Koseler, der vorher schon von Berufs wegen optimistisch war, haute das Ergebnis nicht um. „Man hat gesehen, dass Münster vier Ligen höher spielt. Das sind Profis, dem müssen wir Respekt zollen“, sagte der Spielertrainer. „Das ist ein mega Erlebnis für den Verein. Ich bin richtig stolz.“ Distelns Fans – die alten wie die neugewonnen – feierten ihre Mannschaft nach der Partie, bis im Stadion nach und nach die Flutlichter ausgeknipst wurden.

Mittendrin der Vorsitzende Andreas Weidner, der den Betriebsausflug in vollen Zügen genoss. „Das Spiel nach Münster zu verlegen, war die richtige Entscheidung. Und wir haben sogar ein Tor in einem Drittliga-Stadion gemacht! Wer hat das geglaubt? Geil!“